Suche
Kontakt
>
Studienkreis Blog

Gibt es einen Run aufs Gymnasium?

Am Ende der Grundschulzeit fällt es vielen Familien schwer, die beste weiterführende Schule für ihre Kinder zu finden. Die Hoffnung auf ein Abitur ist hoch, aber die Leistungsanforderungen am Gymnasium sind es auch. Im Interview erzählt Gerhard Leibl, Leiter des Studienkreises Neuss Mitte, welche Rolle Schulwahl und Abitur bei dem Wunsch nach Nachhilfe spielen und wann die zusätzliche Förderung besonders sinnvoll ist.

In öffentlichen Debatten wird häufig kritisiert, dass viele Eltern ihr Kind nach der Grundschule um jeden Preis auf das Gymnasium schicken möchten, auch wenn die Anforderungen zu hoch sind. Gibt es einen „Run aufs Gymnasium“?

Gerhard Leibl: Hier im Studienkreis Neuss Mitte beobachten wir durchaus ein hohes Interesse am Gymnasium. Allerdings hängt das immer auch davon ab, wie das Angebot an Gesamtschulen ist. Viele Eltern glauben, dass ihr Kind dort einen leichteren Einstieg bekommt und trotzdem die Möglichkeit hat, das Abitur zu machen. Als es hier noch nicht so viele Gesamtschulen gab, war der Wunsch nach dem Gymnasium noch häufiger.

Melden Eltern manchmal auch gegen die Empfehlung der Grundschullehrkräfte ihr Kind am Gymnasium an?

Das kommt tatsächlich öfter vor. Dahinter steckt der Gedanke: „Mein Kind soll es einmal besser haben als ich.“ Am Anfang in der fünften Klasse am Gymnasium haben die Kinder dann relativ wenig Druck – gerade während der Corona-Pandemie habe ich das so erlebt. Das ändert sich in der sechsten Klasse. Die Kinder müssen am Ende des Schuljahres einen bestimmten Notenschnitt erreichen, um auf dem Gymnasium bleiben zu können. Das ist oft der Moment, in dem Eltern an Nachhilfe denken.

In der sechsten Klasse steigt also das Interesse an Nachhilfe?

Ja, die sechste Klasse ist ein „Jahr der Wahrheit“. Leider kommen manche erst gegen Ende der sechsten Klasse, wenn die Versetzungskonferenz der Schule ihnen empfiehlt, einen Platz an einer Gesamt- oder Realschule zu suchen. Dann ist der Druck plötzlich sehr hoch. Die Gesamtschulen sind recht voll, die Eltern fragen sich, ob ihr Kind dort überhaupt einen Platz bekommt.

Dann erst mit der Nachhilfe zu beginnen, ist ungünstig – zum Beispiel, wenn die Kinder auf 4 oder 5 stehen und deshalb in der einzigen noch anstehenden Klassenarbeit unbedingt eine 3 schaffen müssen. Hilfreicher ist es, wenn sich Eltern schon am Anfang der sechsten Klasse überlegen, dass sie ihrem Kind Nachhilfe ermöglichen möchten, damit es am Gymnasium bleiben kann.

Gelingt es dann, dass die Kinder am Gymnasium bleiben? 

Ja, die Nachhilfe bringt viel. Es kommt vor, dass die Eltern ihren Kindern selbst nicht so gut helfen können. Ich finde es toll, wenn sie sich dann dafür entscheiden, ihr Kind in die Nachhilfe zu schicken! Einmal hat mir eine Mutter erzählt, dass sie putzen geht, um ihrem Kind Nachhilfe zu bezahlen, damit es auf dem Gymnasium bleibt. Sie wollte, dass ihr Kind einmal bessere Berufschancen hat als sie. Anfang der sechsten Klasse gibt es eine echte Chance, den Kindern zu helfen.

Warum ist das Interesse am Gymnasium so hoch? 

Da geht es vor allem um das Abitur. Wenn ich Schülerinnen und Schüler frage, warum sie Abitur machen wollen, sagen sie ganz klar: „Um mehr Geld zu verdienen.“ Aber sie haben oft noch keine Ahnung, ob sie studieren wollen. Auch für viele Ausbildungsplätze wird heute ein Abitur gefordert, am besten mit Einserschnitt. Für Schülerinnen und Schüler mit einem Mittleren Abschluss ist das eine tragische Entwicklung, weil sie in Konkurrenz zu Abiturienten stehen und viele Betriebe dann tatsächlich lieber Abiturienten einstellen. Wenn man da nicht den Kürzeren ziehen will, braucht man ein Abitur, auch wenn man gar nicht studieren möchte.

Welche Rolle spielt das Abitur in der Motivation, Nachhilfe zu nehmen?

Da muss man unterscheiden zwischen der Motivation der Eltern und der der Jugendlichen. In der Motivation der Eltern hat der Abschluss einen sehr hohen Anteil, deutlich über 50 Prozent. Den Jugendlichen selbst geht es eher um konkrete Unterrichtsfragen, zum Beispiel, wenn sie etwas in Mathematik nicht verstanden haben.

Steigt die Nachfrage vor den zentralen Abschlussprüfungen in Klasse 10?

Ja, wenn an den Gesamtschulen in der zehnten Klasse die zentralen Abschlussprüfungen anstehen, kommen viele Schülerinnen und Schüler neu zu uns. Am sinnvollsten für den Lernerfolg ist es, wenn die Schülerinnen und Schüler schon in Klasse 9 kommen und dann mit weniger Druck ihre Noten verbessern können.

Viele dieser Jugendlichen bleiben dann bis zum Abitur. Wir bieten Verträge mit 24 Monaten Mindestlaufzeit an, die günstiger sind als kürzere Verträge. Viele Eltern entscheiden sich für die lange Laufzeit, weil sie davon ausgehen, dass der Unterricht in den letzten Jahren bis zum Abitur immer anspruchsvoller wird.

Bleiben Kinder weiter in der Nachhilfe, wenn sie vom Gymnasium auf die Gesamtschule oder auf die Realschule gewechselt sind?

Ja, dazu rate ich auch immer. Selbst wenn Kinder es in Klasse 6 nicht auf dem Gymnasium schaffen, haben sie eine gute Chance, auf einer anderen Schulform relativ gut zu werden – und dabei können wir helfen. Das tun wir sogar besonders gern, weil es sehr schön ist, ein Kind von einer 4 auf eine 2 zu bringen. Ich habe auch schon mehrfach erlebt, dass Kinder vom Gymnasium auf die Gesamtschule wechselten und ein paar Jahre später mit guten Noten wieder zurück aufs Gymnasium gingen.

Weitere interessante Artikel zu dem Thema Schulwechsel von der Grundschule in die weiterführende Schule:

Welche Schule ist die richtige für mein Kind? 

Übertritt in die weiterführende Schule

Anforderungen und Voraussetzungen fürs Gymnasium

forsa-Umfrage: Mehrheit findet Abitur auch ohne späteres Studium sinnvoll

Straßenumfrage: Muss es unbedingt das Abitur sein?

Einen Kommentar schreiben

* Pflichtfelder

Archiv
RSS-Feed