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Studienkreis Blog

Wie Jugendliche den Lehrkräftemangel erleben

Sorgen um die Noten, Frustration und Prüfungsdruck: Die massiven Personalengpässe an Schulen belasten Kinder und Jugendliche und nehmen ihnen die Motivation zum Lernen. Zwei Schülerinnen erzählen, wie es sich anfühlt, Stoff können zu müssen, den man nie gelernt hat.

Lehrermangel an Schulen belastet Kinder und Jugendliche und nimmt ihnen die Motivation zum Lernen

12.000 Lehrkräfte fehlen bundesweit, so geben es die Kultusministerien der Länder an. Der Deutsche Lehrerverband geht sogar von bis zu 40.000 offenen Stellen aus. In Zukunft könnten es noch deutlich mehr werden. Der Bildungsforscher Klaus Klemm rechnet bis 2035 mit 158.000 unbesetzten Stellen für Lehrkräfte. Fest steht: Schon jetzt spüren viele Familien die Folgen von Lehrkräftemangel und Unterrichtsausfällen deutlich – ebenso wie die Nachhilfeinstitute des Studienkreises. Hier ist zu beobachten, was in der von Statistiken und Strukturmaßnahmen geprägten öffentlichen Debatte schnell aus dem Blick gerät: Wie der Lehrkräftemangel bei Schülerinnen und Schülern zu Notensorgen und Frustration führt.

62 Prozent der Mütter und Väter in Deutschland stellen fest, dass ihr Kind vom Lehrkräftemangel betroffen ist. Das ergab im Januar eine repräsentative Umfrage zum Lehrermangel des Meinungsforschungsinstituts forsa unter 1.018 Eltern schulpflichtiger Kinder im Auftrag des Studienkreises. Mehr als die Hälfte der Betroffenen rechnete demnach damit, dass die Unterrichtsausfälle zu schlechteren Noten in den diesjährigen Halbjahreszeugnissen führen würden.

Kein Unterricht, trotzdem Prüfungen

Auch an den Schulen von Isabell und Hannah sind nicht alle Stellen besetzt. Die beiden Mädchen besuchen die zehnte Klasse am Stadtrand von Magdeburg. Zweimal in der Woche kommen sie zur Studienkreis Nachhilfe in Magdeburg-Nord, um das Wissen nachzuarbeiten, das ihnen die Schule nicht ausreichend vermitteln konnte. Hannahs Klasse an einer Gemeinschaftsschule hat unter anderem seit Mitte des vergangenen Schuljahres keinen Chemieunterricht mehr erhalten – und nun stehen in diesem Jahr die Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss an. Zwar versucht ein ukrainischer Wissenschaftler derzeit, den versäumten Stoff mit der Klasse im Eiltempo nachzuarbeiten, aber das gelingt nur mäßig. „Niemand versteht, was er erzählt, weil der Chemieunterricht einfach zu lange ausgefallen ist“, berichtet Hannah.

Ihre Freundin Isabell, die ein nahegelegenes Gymnasium besucht, ist nicht ganz so stark vom Lehrkräftemangel betroffen. Bei ihr ist der Chemieunterricht in diesem Schuljahr nur zwei Monate lang ausgefallen. Aber auch diese Lücken sind schwer aufzuholen. „Wir haben dann Aufgaben bekommen, die wir uns selbst erarbeiten sollen. Aber die Aufgaben waren zu schwierig und zu umfangreich, das war sehr frustrierend“, erzählt Isabell.

Soziale Schere könnte sich weiter öffnen

In der Folge sinken nicht nur die Leistungen, sondern auch die Motivation. „Wir haben neulich einen Test in Chemie geschrieben. Aber wenn man das Thema nicht versteht, dann fehlt auch die Motivation zu lernen“, erklärt Hannah. Dabei hat sie noch Glück im Unglück. Da sie erst vor einem halben Jahr vom Gymnasium an die Gemeinschaftsschule gewechselt ist, hat sie in Chemie und anderen Fächern einen klaren Wissensvorsprung. Und auch die Nachhilfe trägt dazu bei, dass sie sich trotz Unterrichtsausfällen auf die anstehenden Prüfungen vorbereiten kann.

Aber nicht alle Familien sind in der Lage, ihre Kinder schulisch zu unterstützen, wenn es nicht ausreichend Lehrkräfte gibt. 86 Prozent der von forsa befragten Eltern befürchten, dass sich die soziale Schere in Deutschland weiter öffnen wird, weil die Familien Lernlücken unterschiedlich gut durch zusätzliche Unterstützung auffangen können. Schon während der coronabedingten Schulschließungen hat sich gezeigt, dass dies die Folgen sind, wenn die Schule Stoff nicht mehr selbst vermittelt, sondern nur noch Arbeitsmaterialien für das Selbststudium bereitstellt.

Vielen Quereinsteigern fehlt das pädagogische Handwerkszeug

An den Schulen ist man sich der Lage sehr bewusst. Viele versuchen ihr Bestes, um Ausfälle klein zu halten und trotz Personalengpässen irgendwie Unterrichtsangebote auf die Beine zu stellen. Häufig kommen dabei Quereinsteiger zum Einsatz: Personen, die das fachliche Wissen besitzen, aber keine Lehramtsausbildung durchlaufen haben und deshalb nicht ausreichend pädagogisch geschult sind. Eltern halten den Quereinstieg von verschiedenen kurzfristigen Lösungsansätzen dennoch mit Abstand für die beste Möglichkeit, um die Auswirkungen des Lehrkräftemangels abzumildern. In der forsa-Umfrage sprachen sich 75 Prozent der Eltern dafür aus, Quereinsteiger und Lehramtsstudierende stärker einzubinden.

Infografik: Was aus Elternsicht gegen Lehrkräftemangel hilft

In der Praxis allerdings zeigt sich, wie wichtig neben dem fachlichen auch das pädagogische Geschick ist. „Letztes Jahr hatten wir Biologieunterricht bei einem Professor von der Uni“, erzählt Isabell. „Er hat gar nicht gewusst, wie er mit uns umgehen soll, und sein Unterricht war so, wie er es vermutlich an der Universität macht: Er hat einfach die ganze Zeit geredet und dazu einen Text projiziert, den wir abschreiben sollten.“

Drei Lehrkräfte für fünf Klassen

Nicht alle Quereinsteiger machen schlechten Unterricht, ist Angelika Patzwald-Könnig, Leiterin des Studienkreises Magdeburg-Nord, überzeugt. „Es gibt viele Quereinsteiger, die tollen Unterricht machen, manchmal sogar besser als die gelernten Pädagogen“, erzählt sie. „Aber es gibt eben auch Fälle, in denen die Quereinsteiger überhaupt kein Händchen dafür haben, wie sie den Kindern oder Jugendlichen etwas beibringen.“

Neben der Einstellung von Quereinsteigern versuchen die Schulen auch auf anderen Wegen, Unterrichtsausfälle aufzufangen, erklärt Patzwald-Könnig. Zum Beispiel, indem drei Lehrkräfte für Mathematik für fünf Klassen gleichzeitig zuständig seien. „Jede Klasse hat dann etwas weniger Unterricht, aber für keine fällt er ganz aus. In den Stunden ohne Lehrkraft bekommen die Kinder Arbeitsblätter. Das führt dazu, dass sich die Schülerinnen und Schüler ständig auf neue Lehrkräfte einstellen müssen. Nicht allen gelingt das gleich gut.“

Schnelle Lösungen nötig

Auch wenn sich vermutlich die meisten Jugendlichen spontan eher freuen, wenn mal die erste Stunde ausfällt und sie ausschlafen können – Hannah und Isabell ist es wichtig zu lernen und einen guten Schulabschluss zu machen. Die Lerninhalte zu reduzieren, damit weniger Lehrkräfte nötig sind, um sie zu vermitteln, halten sie nicht für eine gute Lösung. „Wenn jemand zum Beispiel beruflich etwas mit Chemie machen möchte, aber in der Schule nur das Niveau der siebten oder achten Klasse erreicht hat, dann ist das sehr ärgerlich“, sagt Isabell.

Insofern bleibt den beiden nur, den versäumten Stoff mit hohem Druck nachzuarbeiten – und darauf zu hoffen, dass Kultusministerien und Schulverantwortliche mit ebenso hohem Druck wirksame Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel ergreifen.

Ein Kommentar zu “Wie Jugendliche den Lehrkräftemangel erleben”

  1. Von Lehrer tun mir Leid.Ich will nicht tauschen. am Mrz 3, 2023

    Bezahlt den Beruf halt mal besser.Jemand auf dem freien Markt verdient viel mehr und trägt weniger Verantwortung für die Gesellschaft.Früher hatten Lehrer ein Outstanding-Gehalt und jetzt reicht es nicht mal dazu eine Wohnung in der Großstadt bspw.München oder Stuttgart zu zahlen,bei gleichzeitig Mehrarbeit ,Bsp.fünf Klassen drei Lehrer.

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