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Lehrkräftemangel:
große Mehrheit der Eltern in Sorge

„Hallo Papa, ich komme heute früher nach Hause. Mathe fällt aus.“ – solche Sätze fallen immer häufiger in Familien mit Schulkindern. Der Lehrkräftemangel wird zunehmend dramatischer und bereitet einer großen Mehrheit der Eltern Sorge. 62 Prozent der Mütter und Väter beobachten einen Lehrkräftemangel an der Schule ihres Kindes – unter Eltern von Kindern ab Klasse 5 sind es sogar beinahe drei Viertel. Mehr als die Hälfte der Betroffenen rechnet deshalb sogar mit schlechteren Noten in den diesjährigen Halbjahreszeugnissen. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative forsa-Umfrage unter 1.018 Eltern von Schulkindern im Auftrag des Studienkreises.

Immer mehr Unterricht fällt aufgrund von Personalmangel ersatzlos aus. Eine große Mehrheit (86 Prozent) der befragten Eltern befürchten deshalb, dass ihre Kinder die Lernziele nicht erreichen – auch, weil die Unterrichtsqualität leidet. Ebenso viele sind der Ansicht, dass sich die soziale Schere infolge der Personalengpässe an Schulen weiter öffnet, weil nicht alle Familien Lernlücken gleich gut durch Unterstützung auffangen können.

Eltern setzen Hoffnung auf Quereinsteiger

Die Bundesländer begegnen der Personalknappheit mit verschiedenen Maßnahmen. Dazu gehört beispielsweise der so genannte Quereinstieg, bei dem fachlich qualifizierte Personen ohne vollständige Lehramtsausbildung in den Schulen arbeiten. Drei Viertel der befragten Mütter und Väter halten die Einbindung von Quereinsteigern und Lehramtsstudierenden für eine gute Maßnahme, um den Lehrkräftemangel kurzfristig abzumildern.

Immerhin 40 Prozent halten eine stärkere Nutzung digitaler Selbstlernangebote für erfolgsversprechend, um Lehrkräfte zu entlasten. Anders sieht es da bei größeren Klassen aus: Nur drei Prozent der Befragten glauben, dass sich die Auswirkungen des Lehrermangels bekämpfen lassen, indem Klassen mit beispielsweise 40 Kindern eingerichtet werden.

Auch Wenke Steffen hält nicht viel davon, Klassen zu vergrößern. Sie ist Nachhilfelehrerin beim Studienkreis Magdeburg-Nord und hat drei eigene Kinder an einem Gymnasium der Stadt. „Wenn so viele Kinder in einer Klasse sind, behalten die Lehrkräfte schwerer den Überblick und können weniger auf die einzelnen Lernenden eingehen“, erzählt sie. „Gerade die schwächeren Schüler kommen dann nicht mehr gut mit.“

Verpasster Lernstoff lässt sich nur teilweise zu Hause nachholen

Sich den verpassten Lernstoff allein oder mit elterlicher Unterstützung zu erarbeiten, ist selten eine gute Lösung. Das zeigen zum Beispiel die Lernlücken, die die coronabedingten Schulschließungen bei vielen Kindern hinterlassen haben und die bis heute nicht vollständig geschlossen sind. Stattdessen wenden sich immer mehr Eltern an den Studienkreis. In einer internen Umfrage unter 524 Nachhilfe-Interessierten im November 2022 gab beinahe jeder Fünfte an, dass der Lehrermangel ein Grund für den Wunsch nach Nachhilfe war.

Auch im Studienkreis versuchen Nachhilfelehrkräfte, den Stoff zu vermitteln, der in der Schule mangels Personals nicht unterrichtet wurde. „Wir haben hier Zehntklässler, die ein Jahr lang keinen Unterricht in Chemie, Geografie oder Geschichte hatten. Andere haben wochenlang keinen Mathematikunterricht und sollen trotzdem am Ende des Schuljahres an Abschlussprüfungen teilnehmen“, berichtet Angelika Patzwald-Könnig, Leiterin des Studienkreises Magdeburg-Nord. Solche massiven Ausfälle ließen sich aber auch mit Nachhilfe nicht vollständig auffangen. In den letzten Jahren habe sich der Lehrkräftemangel an Schulen erheblich zugespitzt, erzählt Patzwald-Könnig: „Wir konzentrieren uns dann auf Fächer, die für Prüfungen oder den Berufswunsch der Jugendlichen relevant sind.“

Schule ist viel mehr als ein Ort für
Wissensvermittlung

Unter dem Personalmangel leidet nicht nur die Unterrichtsqualität – auch die Motivation der Kinder und Jugendlichen sinkt. „Schule ist viel mehr als ein Ort für Wissensvermittlung“, erklärt Max Kade, Pädagogischer Leiter des Studienkreises.

Max Kade - Pädagogischer Leiter Studienkreis

„Ein strukturierter Schulalltag, gute Beziehungen zu den Lehrkräften, Kontinuität und Verlässlichkeit – all diese Dinge tragen zu einem Klima bei, in dem Kinder und Jugendliche motiviert lernen können. Häufige Ausfälle, wechselnde Lehrkräfte sowie die Angst vor schlechten Noten und hohen Lernrückständen bewirken das Gegenteil“, so Kade. Zwar könne Nachhilfe helfen, solche Ängste zu lindern und Lücken aufzuarbeiten, aber nicht wochenlange Unterrichtsausfälle ausgleichen. Dass das Stresslevel durch häufigen Unterrichtsausfall bei vielen Schülerinnen und Schülern steigt, verrieten Jugendliche dem Studienkreis auch in einer aktuellen Straßenumfrage.

Straßenumfrage: Lehrermangel und Unterrichtsausfälle

„Wir verstehen uns nicht als Ersatz, sondern als Partner und Begleiter der Schulen“, betont Kade. „Wenn ein Kind in der Schule etwas nicht verstanden hat oder mehr Übung benötigt, dann bieten wir eine individuelle Förderung an. Gleichzeitig hoffe ich im Interesse der Schülerinnen und Schüler sehr, dass Bund und Länder schnell wirksame Maßnahmen ergreifen, um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken.“

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