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Sitzenbleiben – Chance oder Zeitverschwendung?

Sitzenbleiben - Chance oder Zeitverschwendung?Thomas Mann, Johannes B. Kerner, Guido Westerwelle oder Winston Churchill – intelligente Menschen, die groß Karriere gemacht haben. Hätten Sie gedacht, dass sie alle die Schule nicht ohne Sitzenbleiben geschafft haben?

Aber sind diese Prominenten nun so erfolgreich geworden, gerade weil sie sitzengeblieben sind und so die Chance hatten, ihre Lern- und Wissensdefizite aufzuholen oder war die Ehrenrunde doch nur vertane Lebenszeit, die nichts zu ihrem Erfolg beigetragen hat?

Ohne Fleiß keine Versetzung

Schon seit Jahren wird in unserer Gesellschaft diskutiert, ob das Sitzenbleiben sinnvoll ist oder abgeschafft werden sollte. Die meisten Befürworter der Ehrenrunde führen als wichtigstes Argument an, dass das drohende Sitzenbleiben der zentrale Anreiz ist, um sich überhaupt in der Schule anzustrengen. Schüler selbst empfinden das Sitzenbleiben oft als ausgleichende Gerechtigkeit: Wer im Gegensatz zu den Klassenkameraden nicht fleißig war, soll auch nicht weiterkommen. Nach dieser Argumentation ist das Sitzenbleiben vor allem als Disziplinierungsmaßnahme zu verstehen, die Faulheit bestrafen soll.

Schlechte Noten haben viele Ursachen

Aber liegen schlechte Noten immer an mangelndem Fleiß, fehlendem Ehrgeiz oder dem Unwillen der Schüler? So einfach ist es nicht. Probleme in der Schule können viele Ursachen haben. Natürlich gibt es faule Schüler, aber auch die Scheidung der Eltern, Todesfälle in der Familie, Umzüge, eine Krankheit oder Ähnliches können zu einem Leistungsabfall führen. Kann eine Ehrenrunde also bei jedem Schüler mit Notenproblemen die richtige Lösung sein?

Sitzenbleiben ist nicht immer von Nutzen

Schülern, die noch nicht die geistige Reife haben, soll das Sitzenbleiben ermöglichen, ihren Entwicklungsunterschied auszugleichen. Man denke da beispielsweise an die Jüngsten eines Schuljahrgangs, die bis zu einem Jahr jünger sein können als ihre Klassenkameraden und so eventuell noch nicht über die nötigen geistigen Fähigkeiten verfügen, um mit den Älteren mithalten zu können. Faulen Schülern soll das Sitzenbleiben und die damit verbundene Angst vor der Ausgrenzung aus der Klasse und der Zurschaustellung ihres Misserfolges als Lernmotivation dienen.

Auch wenn das Sitzenbleiben eine Chance sein kann, Versäumtes aufzuholen oder den nötigen Anreiz zum Lernen bietet, bedeutet die Ehrenrunde für Kinder und Jugendliche generell eine öffentliche Demütigung. Die daraus für die Schüler resultierenden psychischen und sozialen Folgen sind es, die die Gegner des Sitzenbleibens kritisieren. Für sie ist der psychische Schaden für die Kinder und Jugendlichen größer als der Nutzen. Bei einem Schüler, der beispielsweise die Scheidung der Eltern, den Tod der Mutter oder des Vaters oder ein anderes schweres Schicksal ertragen muss, kann man sich leicht vorstellen, dass das Sitzenbleiben nur eine zusätzliche psychische Belastung für das Kind bedeutet. Die Ehrenrunde beseitigt in vielen Fällen nicht das ursächliche Problem und es ist zweifelhaft, ob sich die Leistungen bei einer Wiederholung der Klassenstufe verbessern. Genauso wenig ist das Sitzenbleiben aber auch bei faulen oder unwilligen Schülern eine Garantie, dass sie in ihrer Entwicklung vorankommen und die nötige Motivation zum Lernen entwickeln.

Auslese der Besten?

Dabei sind faule Schüler oder Kinder und Jugendliche mit privaten Problemen ja nicht zwangsläufig weniger intelligent. Schulnoten sagen nicht unbedingt etwas über die Intelligenz eines Schülers aus. Vielmehr spiegeln sie Eigenschaften wie Fleiß, Ausdauer oder Sorgfalt wider, die leichter erkennbar und messbar sind. Das Sitzenbleiben führt also nicht zwangsläufig zu einer Auswahl der intelligentesten Schüler. So entkräften Gegner des Sitzenbleibens auch die Argumentation von Wirtschaftsvertretern, die das System der Ehrenrunden als Garant für ein gewisses Bildungsniveau und damit die erforderliche Qualität der Auszubildenden, Berufseinsteiger und späteren Arbeitnehmer sehen.

Denke ich an meine eigene Schulzeit zurück, sind doch so einige Schüler aus der oberen Klassenstufe in meinen Jahrgang zurückgestuft worden. Nur ganz wenige von ihnen haben das Abitur geschafft. Trotzdem haben die meisten von ihnen etwas aus ihrem Leben gemacht. Für sie war das wiederholte Schuljahr vergeudete Zeit. Dabei bin ich mir auch sicher, dass der ein oder andere von ihnen wesentlich intelligenter war, als so mancher, der sein Abitur geschafft hat.

Alternativen zum Sitzenbleiben

Zur Lösung des Problems mehren sich in jüngster Zeit wieder vermehrt die Stimmen nach einer grundlegenden Umstrukturierung des deutschen Schulsystems. Einigkeit besteht dabei weitestgehend über eine individuelle Förderung der Schüler, die es ermöglicht, die Defizite jedes einzelnen schnell zu erkennen und umgehend zu beseitigen. Aber darüber, wie das konkret aussehen sollte, scheiden sich wiederum die Geister.

Wie stehen Sie zum Thema „Sitzenbleiben“?

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  2. Jul 4, 2013: 931 Millionen Euro für Ehrenrunden | Studienkreis Blog

2 Kommentare zu “Sitzenbleiben – Chance oder Zeitverschwendung?”

  1. Von Yvonne am Jun 3, 2013

    Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke, ist es eigentlich genau so wie beschrieben. Die Sitzenbleiber hatten trotz Wiederholung der Klasse nach wie vor große Probleme. Als Lernmotivation wurde die Ehrenrunde ganz bestimmt nicht verstanden.

    Jetzt, als Mutter schulpflichtiger Kinder, kann ich nur sagen: Schafft die Noten und das Thema Versetzung ab! Denn: Das, was die Kinder ohne Spaß einfach für die nächste Klassenarbeit „pauken“, ist sowieso ganz schnell wieder vergessen. Und das, was ihnen Spaß macht, lernen sie freiwillig und nicht wegen der Noten!

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