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Studienkreis Blog

„Man muss an die Kinder glauben“: Lerntherapie bei Lese-Rechtschreib-Schwäche und Dyskalkulie

LRS-Dyskalkulie-Trainerin Gabriele Ulke-Lampe

Gabriele Ulke-Lampe ist Juristin und hat als Anwältin gearbeitet, doch ihr Herz schlug für ein pädagogisches Thema: LRS und Rechenschwäche. Inzwischen ist sie fortgebildete LRS- und Rechenschwäche/Dyskalkulie-Trainerin und betreut für den Studienkreis im Raum Duisburg die Fachkräfte der Zentren für Kinder und Jugendliche, die besondere Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechnen haben. Sie arbeitet auch direkt in der Förderung, kümmert sich um Testungen und Elterngespräche sowie die Ausbildung der Lerntherapeut:innen. Wir haben sie zu den Besonderheiten dieser Tätigkeit befragt.

Wie unterscheidet sich die Förderung bei Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) oder Dyskalkulie von regulärer Nachhilfe?

Die Unterschiede sind groß: Während normale Nachhilfe bei uns den Schulstoff meist in Gruppen begleitet, ist die lerntherapeutische Unterstützung losgelöst vom Unterrichtsstoff der Schule. Bei Dyskalkulie arbeiten wir normalerweise in einer Eins-zu-Eins-Situation, bei LRS ist der Gruppenunterricht auf maximal drei Schüler:innen begrenzt, damit wir auf jedes Kind individuell eingehen können. Auch LRS-Förderungen können aber bei Bedarf im Einzelunterricht stattfinden. Häufig geht es nicht nur um das inhaltliche Üben, sondern auch darum, Ängste und Selbstzweifel abzubauen, die im Zusammenhang mit der Schwäche oft entstehen. Neue Lerntherapeut:innen unterstützen wir mit einer Startschulung und weiterem Material. Es folgen Hospitationen. Den ersten Unterricht bereiten wir gemeinsam vor. Dem Bedarf entsprechend schließen sich Supervisionen, Nachbesprechungen und weitere Unterstützung an. Insofern ist die Tätigkeit auch intensiver als reguläre Nachhilfe.

Woher wissen Eltern und Lehrkräfte, dass tatsächlich eine Schwäche vorliegt?

An erster Stelle steht immer eine Erhebung des individuellen Leistungsstands und des Förderbedarfs. Dabei werden anerkannte, standardisierte Testverfahren und informelle Fragebögen genutzt. Dyskalkulie bedeutet, dass ein Kind besondere Schwierigkeiten beim Erwerb der grundlegenden Rechenfertigkeiten hat. Die Probleme können etwa bei der Zahlenvorstellung, beim Verständnis der Grundrechenoperationen oder des Stellenwertsystems liegen. Oft greifen die Kinder auf zählendes Rechnen zurück, was in vielfacher Hinsicht zu Problemen führen kann. Auch LRS hat eine große Bandbreite – nach meiner Erfahrung ist der Leidensdruck in der Schule bei Dyskalkulie aber oft noch größer, da es keine Möglichkeit gibt, mündlich etwas auszugleichen. Auch die Lesekompetenz ist natürlich eine Kernfähigkeit für alles weitere Lernen. Manche Eltern haben Berührungsängste mit dem Thema, aber die meisten sind sehr darum bemüht, dass ihr Kind die richtige Unterstützung erhält. Wichtig ist bei einer solchen Schwäche immer, dass es eine Förderung gibt.

Welche Erfolge können die Lehrkräfte denn erreichen?

Natürlich ist das individuell verschieden, aber wir sehen in den regelmäßigen Lernstandstests in der Regel deutliche Verbesserungen. Die Schwächen gelten zwar als relativ stabil, doch mit gezieltem Üben können auch Kinder mit LRS in der Regel eine bessere, manchmal sogar gute Lese- und Rechtschreibkompetenz erreichen. Und bei manchen platzt auch bei Dyskalkulie der Knoten recht schnell. Andere brauchen länger und müssen immer achtsam bleiben. Da bedeuten kleine Fortschritte schon viel.

Welche Eigenschaften braucht es für den Job als Lerntherapeut oder Lerntherapeutin?

Man muss an die Kinder glauben, das ist wichtig. Die Lehrkraft sollte sensibel, einfühlsam, positiv, gewissenhaft und geduldig sein. Wer Lerntherapeut:in werden möchte, kann natürlich auch parallel reguläre Nachhilfe geben. Aber manche konzentrieren sich ausschließlich auf die spezielle LRS- und Dyskalkulie-Förderung. Der Fokus sollte dabei immer weg von Fehlern gehen und stattdessen hin zur Förderung von Strategien, Erfolgserlebnissen, Motivation und Konzentration. Wichtig ist das Zutrauen des Kindes zu sich und seinen Leistungen. Ebenso wichtig ist es, die Kinder immer da abzuholen, wo sie stehen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass man dann viel bewirken kann – und auch viel Freude daran hat!

Vielen Dank für das Gespräch!


Bis zu zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler haben eine Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) oder Dyskalkulie. Sie benötigen eine spezielle Förderung, die über das hinausgeht, was im normalen Deutschunterricht möglich ist. Institute wie die LRS- und Dyskalkulie-Zentren des Studienkreises, von denen es rund 100 in Deutschland gibt, helfen den Kindern und Jugendlichen deshalb mit einer speziellen, individuellen Förderung. Die bietet der Studienkreis wahlweise auch online an.

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