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Studienkreis Blog

Rätst du noch oder schreibst du schon?

Rechtschreibung - Kinder üben Schreiben beim StudienkreisMal Hand aufs Herz: Wie sicher fühlen Sie sich in der deutschen Sprache? „Ging schon mal besser …“ ist eine Antwort, die ich relativ oft höre. Und ich verstehe, was die Leute damit meinen. Ich bin ein Schulkind der 80er. Wir haben lesen und schreiben nach der Fibel-Methode gelernt – da gehörte richtige Rechtschreibung von Anfang an dazu. Es gab klare Regeln. Und Ausnahmen waren eben Ausnahmen und mussten gelernt werden. Rechtschreibung bot wenig Raum für Diskussionen. Und damit auch Sicherheit. Diese Sicherheit scheinen viele Eltern heute zu vermissen. Schreiben lernen in der Grundschule – raten oder schreiben?

Lesen durch Schreiben

Meine Kinder haben mit der Lesen-durch-Schreiben-Methode gelernt. Die Kinder lernen zunächst über eine Bildtabelle, die Laute zu unterscheiden und sollen dann einfach drauflosschreiben, wie sie die Worte hören. Rechtschreibregeln kommen erst später dazu – oft erst nach der 2. Klasse. Die Rechtschreibfähigkeiten, die dabei herauskommen, haben in den vergangenen Jahren zu großen Diskussionen unter Eltern und anderen Experten geführt. In Baden-Württemberg, Bayern und Hamburg wird die Methode nicht verwendet, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein prüfen, ob sie den Lernansatz wieder abschaffen. Ich gebe zu: Auch ich gehöre zu den Zweiflern.

Anfangs fand ich Sätze wie „wia fan im ualaup bot“ noch putzig. Ohne das Hintergrundwissen, dass zu unserem Ferienhaus ein Kanu, also ein Boot gehört, mit dem wir im Urlaub oft fahren, hätte ich den Satz allerdings nur mit größter Mühe verstanden. So wie die Oma zum Beispiel. Als mein Ältester nach wenigen Wochen in der ersten Klasse stolz verkündete, er könne jetzt schreiben, strahlte sie mit ihm um die Wette. Er schob ihr sein Heft hin. Sie las die kryptischen Sätze mehrfach durch, legte die Stirn in Falten und sah mich schließlich hilfesuchend an. Wie sollte sie ihrem stolzen Enkel sagen, dass sie kein Wort verstand? Sie wand sich mit einem motivierenden „Das hast du aber toll gemacht!“ heraus. Später, als das Kind sich zum Spielen in den Garten verkrümelt hatte, diskutierten wir über Sinn und Unsinn der Lernmethode. Zumindest fand ich bei ihr moralische Unterstützung.

Verbessern oder nicht?

Studienkreis Rechtschreibung übenIch beschloss, „Lesen-durch-Schreiben“ eine Chance zu geben. Ändern konnte ich die Methode ja doch nicht. Nachdem ich aber bei zwei Kindern mehrere Jahre vergeblich auf den Tag gewartet habe, an dem die zum Ende der Grundschulzeit endlich eingeführten Rechtschreibregeln auch umgesetzt würden, entschied ich beim jüngsten Kind, früher einzugreifen und auf die richtige Rechtschreibung zumindest hinzuweisen. Leider hatte ich dabei nicht nur (absichtlich) die Anweisung der Lehrerin missachtet, sondern auch (unabsichtlich) verdrängt, welchen hohen Stellenwert die Lehrerin im Leben eines Erstklässlers einnimmt: Sie hat immer recht.

Jeden Hinweis meinerseits, dass mir sein Text wirklich gut gefällt, man „Boot“ aber eben nicht „bot“ schreibt, erstickte das Kind im Keim mit dem ultimativen Argument: „Meine Lehrerin hat aber gesagt, das ist richtig!“. Sämtliche Erklärungsversuche von „Noch darfst du so schreiben, wie du es hörst, später musst du dich aber an die Regeln halten, sonst ist das ein Fehler und du kriegst schlechte Noten “ über „Wenn Oma deinen schönen Text lesen möchte, ist es für sie viel einfacher, wenn du richtig schreibst“ bis hin zu „Die Mama weiß auch ganz viel über Sprache. Die war mal an der Uni und hat das gelernt.“ ließen meinen Sohn kalt. Seine Lehrerin hatte recht, weil sie eben seine Lehrerin war. Basta.

Reform der Reform der Rechtschreibreform

Mein Ältester ignorierte Rechtschreibregeln recht konsequent bis zur 8. Klasse. Erst dann wurde es langsam besser. Mein Jüngster verlässt sich noch immer auf seine Lehrerin. Und das mittlere Kind findet Sprache ganz generell überflüssig. Für Mathe braucht es nur Zahlen, sagt es. Ob die eher schwachen Orthografie-Kenntnisse meiner Kinder nun auf die Methode zurückzuführen sind oder nicht, kann ich nicht sagen. Was ich aber sagen kann, ist, dass die deutsche Rechtschreibung seit 1996 mehrfach reformiert wurde, nachdem man sie zuvor 95 Jahre lang in Ruhe gelassen hatte. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Rat für deutsche Rechtschreibung im Sommer 2017 (wieder) neue Anpassungen vorgenommen.

Eine der Kernaufgaben des Rats für deutsche Rechtschreibung ist dabei die „Bewahrung der Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum“. Ob es dafür hilfreich ist, alle paar Jahre die Regeln zu verändern? Können Sie jetzt aus dem Stand sagen, was richtig ist: Majonäse, Mayonäse oder Mayonnaise? Und genau hier wird es für Eltern schwierig, finde ich. Erst hat man uns beigebracht, wie es richtig war. Dann sollten wir mehrfach umlernen. Und jetzt erklärt man unseren Kindern, das sei sowieso alles nicht so wichtig. Der Inhalt sei viel wichtiger. Noten bemessen sich aber nach wie vor auch an der Anzahl der Fehler. Und eine fehlerfreie Bewerbung wird später auch erwartet – zu Recht, wie ich finde. Aber wie sollen wir den Kindern helfen, wenn wir selbst immer unsicherer werden?

Vielleicht mache ich mir ja zu viele Sorgen. Oder die falschen. Werden wir Rechtschreibfähigkeiten in Zukunft überhaupt noch brauchen? Oder reicht ein gutes Korrekturprogramm? Und was ist mit handgeschriebenen Texten? Was macht das alles mit unserer Sprache und letztlich auch mit uns? Schließlich ist die Muttersprache doch auch ein wichtiger Bezugspunkt im Leben – auch wenn wir meistens unbewusst mit ihr umgehen. Übrigens: Die richtige Schreibweise ist „Mayonnaise“ – Stand heute. „Majonäse“ wurde im Sommer 2017 wieder abgeschafft, und „Mayonäse“ war noch nie richtig.

Man lernt eben nie aus. Aber ein bisschen Ruhe im Thema Rechtschreibung wäre trotzdem auch mal ganz schön. Damit man wenigstens Zeit hat, die neuen Regeln zu lernen.

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