Zuletzt aktualisiert am 08.10.2024
Definition der Erziehungsstile und ihre Auswirkungen

Die Geburt eines Kindes stellt Eltern vor eine große Aufgabe, denn spätestens dann stellen sich viele Eltern die Frage, ab wann die Erziehung des Kindes beginnen soll und welche Methoden sich dafür am besten eignen. Häufig reflektieren Mutter und Vater dann ihre eigene Kindheit und was sie an der Erziehung durch ihre Eltern und ihr Umfeld als "gut" oder "schlecht" empfunden haben.
Was ist Erziehung
Der Begriff „Erziehung“ wird in vielen Werken ähnlich definiert. Im Wahrig- Fremdwörterlexikon steht hierzu:
„Erziehung ist die planmäßige und zielgerichtete Einwirkung auf junge Menschen, um sie mit all ihren Fähigkeiten und Kräften geistig, sittlich und körperlich zu formen und zu verantwortungsbewussten und charakterfesten Persönlichkeiten heranzubilden.“ Quelle: Wahrig, Fremdwörterbuch 2009
Daraus wird klar, dass Erziehung nicht nur durch die Eltern, sondern auch durch weitere Erziehungsträger stattfindet. Dazu zählen Kindertagesstätten, Schulen, andere soziale Einrichtungen verschiedener Träger (Kirchengemeinden, Sportvereine u.v.m.), aber auch Verwandte und Freunde der Familie prägen ein Kind durch verschiedene Aktivitäten und Einflüsse.
Was versteht man unter Erziehungsstil?
Die Forschung bezüglich der Erziehungsstile gilt als ein Teilgebiet der Sozialisationsforschung. Erziehungsstile beinhalten grundlegende Verhaltensmuster und Einstellungen, die die Erziehenden während der Erziehung erkennen lassen. Diese Einstellung kann zum Beispiel fordernd oder anspruchslos, konsequent oder nachgiebig, skeptisch oder optimistisch sein und wird bei jedem und jeder einzelnen Erziehenden als recht stabil bewertet.
Was ist ein Erziehungskonzept?
Erziehungsstile sind jedoch deutlich abzugrenzen von Erziehungskonzepten. Erziehungskonzepte werden auch als Erziehungsphilosophien bezeichnet und beinhalten intentionale Elemente wie zum Beispiel pädagogische Leitbilder und Ideale sowie Normen und Ziele. So zählt unter anderem die Erziehung im christlichen, marxistischen oder antiautoritären Sinne zu den Erziehungskonzepten.
Konzepte der Erziehungsstile
In der Geschichte der Erziehungsstilforschung werden zwei Arten von Erziehungsstilen unterschieden: Einerseits gibt es typologische Konzepte (u. a. von Lewin, Spranger und Baumrind) sowie dimensionierte Konzepte (u. a. Tausch/Tausch).
Typologische Konzepte
Stile nach Lewin
Der Sozialpsychologe Kurt Lewin gilt als Begründer der Erziehungsstilforschung. Er entwickelte in den 1930er Jahren gemeinsam mit Ronald Lippit und Ralph White in den Vereinigten Staaten von Amerika ein typologisches Konzept mithilfe einiger Feldexperimente bezüglich der Wirkungen unterschiedlicher Führungsstile im Hinblick auf das Leistungsverhalten von Jugendlichen. Lewin unterscheidet drei Führungsstile:
Stile nach Baumrind
Auf der Grundlage der sogenannten „Fels-Studien“ führte die amerikanische Entwicklungspsychologin Diana Baumrind umfangreiche Arbeiten hinsichtlich der Analyse bezüglich der Kind-Eltern-Interaktion durch. Diese Arbeiten sowie Kategorisierungen von Erziehungsstilen beeinflussten die spätere Forschung in hohem Maße. Sie unterscheidet drei charakteristische Typen:
Dimensionierte Konzepte
Aus wissenschaftlicher Sicht erfolgte in den 1970er Jahren immer wieder Kritik an den typologischen Konzepten, da sie lediglich über die Verhaltensweisen Aufschluss geben, jedoch nicht über die Dimensionen, die Auswirkungen, des jeweiligen Erziehungsstils. Als Wegbereiter gilt der amerikanische Sozialpsychologe Earl S. Schaefer, der hierfür Skalen nutzte, die von der deutschen Psychologin Anne-Marie Tausch und dem Psychologen Reinhard Tausch aufgegriffen und erweitert wurden.
Stile nach Tausch/Tausch
Tausch und Tausch folgten der Annahme von Schaefer und entwickelten die Theorie, dass viele Verhaltensweisen nicht losgelöst voneinander auftreten, sondern in einem Zusammenhang stehen. Sie unterscheiden zwischen einer Lenkungsdimension (Kontrolle und Autorität) sowie einer emotionalen Dimension (Wärme, Zuneigung und Wertschätzung). So ist eine Erziehung mit maximaler Lenkung und wenig emotionaler Wärme als autokratisch einzuordnen.
Elterliche Erziehungsstile und ihre Auswirkungen

Bei den elterlichen Erziehungsstilen werden sieben Methoden voneinander unterschieden, die Glen H. Elder auf Grundlage der Erziehungsstile von Lewin im Jahr 1962 um vier weitere Stile ergänzte. Noch heute gilt diese Kategorisierung als Grundlage der Unterscheidung innerhalb der Erziehungsstile.
Autokratischer Erziehungsstil
- Autoritäres Verhalten dem Kind gegenüber
- Eigeninitiative des Kindes wird unterdrückt
- kindliche Meinung wird nicht hinterfragt
- strenge Regeln, Fehler werden bestraft, richtiges Verhalten wird nicht beachtet
Für das Kind ist es schwierig, selbstständiges Verhalten zu entwickeln. Das Selbstbewusstsein der Kinder ist häufig gering ausgeprägt und es kann vorkommen, dass Anderen gegenüber das aggressive Verhalten von Zuhause gespiegelt wird.
Autoritärer Erziehungsstil
- ständige Kontrolle
- Eltern sind wenig sensibel und kindzentriert
- starre Regeln
- Bestrafung bei Nichteinhaltung, Belohnung bei Einhaltung
Kinder aus diesen Familien können unter einem geringen Selbstwertgefühl leiden, eine freie Entfaltung ist kaum möglich. Häufig zeigen sie sich unsicher und es fehlt eine angemessene Frustrationstoleranz. Das kann Verhaltensprobleme, schlechtere schulische Leistungen und geringe soziale Kompetenzen zur Folge haben.
Demokratischer Erziehungsstil
- Gefühl der Sicherheit und Erwünschtheit wird vermittelt
- Kind als ernstzunehmende Persönlichkeit
- Hilfe und Unterstützung der Eltern
- gleichzeitig Raum zu selbstständigem Handeln
- Entscheidungen werden gemeinsam gefällt
Kinder, die demokratisch erzogen werden, sind häufig besonders kritikfähig und akzeptieren andere Meinungen besser. Allerdings ist es auch möglich, dass jedes Detail ausdiskutiert werden muss, da sie Wert auf ihre Selbstbestimmung legen.
Egalitärer Erziehungsstil
- Erziehung auf Augenhöhe
- Entscheidungen werden gemeinsam getroffen
- Meinungen von Kind und Eltern sind gleichwertig
- Kind und Eltern verfügen über die gleichen Rechte und Pflichten
Diese Kinder sind meist besonders gut in der Lage, ihre Meinung zu äußern und konstruktive Kritik anzunehmen. Der egalitäre Erziehungsstil erfordert sehr viel Geduld.
Permissiver Erziehungsstil
- Fokus auf Individualität und Eigenständigkeit des Kindes
- Eltern halten sich eher zurück
- Kind muss Eigenverantwortung übernehmen
- Unterstützung wird nur auf aktive Aufforderung hin geboten
Diese Kinder tun sich häufig schwer, Regeln und Normen in anderen Gemeinschaften als der Familie anzuwenden, einzuhalten und zu akzeptieren. Das kann zur Folge haben, dass diese Kinder keine altersgerechte Entwicklung hinsichtlich der Sprach- und Sozialkompetenz aufweisen und auch nur wenig Leistungsbereitschaft zeigen beziehungsweise oft nur persönlichen Neigungen und Interessen nachgehen.
Laissez-faire Stil
- Kind ist sich selbst überlassen, wenig Interesse der Eltern
- Keine verbindlichen Regeln und Normen
- Fehlende Orientierung und Sicherheit
Eltern, die diesen Stil anwenden, überlassen ihre Kinder sich selbst, was dazu führt, dass die Kinder kaum soziale Werte oder Normen erlernen können, was zu unangemessenem Sozialverhalten führen kann. Auch Schwierigkeiten, Bindungen einzugehen, können eine Folge sein.
Negierender Erziehungsstil
- ablehnendes, unsensibles und desinteressiertes Verhalten
- keine Förderung und Forderung
- Vernachlässigung der physischen und psychischen Bedürfnisse
Kinder aus diesen Familien weisen häufig schlechte Schulleistungen auf, ein geringes Selbstwertgefühl und neigen zu Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen.
Einflussfaktoren auf die Erziehung

Die möglichen Einflüsse auf den Erziehungsstil sind vielfältig:
- Verhältnis Erziehende zum Kind
- Persönlichkeitstrukturen der erziehenden Person
- Beziehungsgeflecht, in dem die erziehende Person sich befindet
- Lebensstil
- eigens gemachte Erfahrungen der Erziehenden
- individuelles soziales Umfeld
- Familienkonstellation
- kulturelle und gesamtgesellschaftliche Situation
- Schichtenzugehörigkeit
Fazit
Im Alltag sind die klar umrissenen Erziehungsstile nur selten in ihrer Reinform anzutreffen. Durch unterschiedliche Einflüsse bilden sich individuelle Verhaltensweisen in der Erziehung, die sich mehr oder weniger an einem der definierten Erziehungsstil orientieren. In Deutschland ist häufig der autoritative Erziehungsstil zu beobachten, der mit einer sensiblen und akzeptierenden Grundhaltung einhergeht. Das Kind lernt durch die Vorbildfunktion der Eltern. Es herrschen klare Regeln, die verständlich kommuniziert und besprochen werden. Die letztendliche Entscheidung liegt bei den Eltern. Diese Erziehung fördert bei Kindern ein gesundes Selbstwertgefühl und Verantwortungsbewusstsein. Die Kinder sind in der Lage andere Meinungen zu akzeptieren, sich in bestehende Strukturen einzuordnen und gleichzeitig eigene Standpunkte zu vertreten.