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Mehrsprachigkeit bei Kindern: Sind mehrsprachige Kinder schlauer?

Verschiedene Sprachen zu beherrschen, gilt in unserer globalisierten Welt als wichtiger Vorteil – für den Bildungserfolg und spätere Berufschancen ebenso wie für das Zurechtkommen in einer durch wachsende Migration geprägten Welt. Ob Englisch, Spanisch oder Chinesisch vom Babyalter an: Bilinguale Kitas oder Schulen erfreuen sich großer Beliebtheit und immer mehr Eltern ziehen in Erwägung, ihr Kind mehrsprachig zu erziehen. Denn klar ist: Als Kind lassen sich Sprachen deutlich leichter und intuitiver erlernen als im späteren Leben. Doch welche Auswirkungen hat das auf die kognitiven Fähigkeiten des Kindes insgesamt? Machen mehrere Sprachen Kinder schlauer?

Vorteile der Mehrsprachigkeit

Tatsächlich, das zeigen wissenschaftliche Studien, bietet Mehrsprachigkeit viele Vorteile für die kognitiven Fähigkeiten von Kindern. So bescheinigt eine Studie der University of Washington Kindern, die mehrsprachig aufwachsen, eine höhere kognitive Flexibilität und ein besseres Arbeitsgedächtnis. Sie können schneller zwischen verschiedenen Aufgaben und Sprachen wechseln, sind kreativer und besser in der Lage, komplexe Probleme zu lösen, als Kinder mit nur einer Muttersprache.

Dazu kommt: Wer mehrsprachig aufwächst, entwickelt oft ausgeprägtere sprachliche Fähigkeiten. So haben mehrsprachige Kinder häufig ein größeres Vokabular und ein besseres Sprachgefühl. Da sie mehrere Sprachen schon in sehr jungem Alter erlernen, sind auch Aussprache und grammatikalische Korrektheit in all ihren Sprachen besser. Und: Wer bereits mit mehreren Sprachen aufwächst, dem fällt es später leichter, noch neue Sprachen dazuzulernen. 

Intelligenz im Sinne einer verständnisvollen, empathischen und toleranten Haltung gegenüber anderen Kulturen und fremden Sichtweisen kann eine mehrsprachige Erziehung ebenfalls hervorbringen. Sie ist allerdings keine automatische Folge des Aufwachsens mit mehreren Sprachen und kann natürlich auch auf andere Weise gefördert werden.

Gibt es auch Nachteile?

Mehrsprachigkeit bei Kindern kann nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile mit sich bringen – das beklagen immer wieder auch Schulen, in denen viele Kinder aufgrund ihres familiären Hintergrunds mit unterschiedlichen Sprachen aufwachsen. Gerade migrationsbedingte Mehrsprachigkeit wird hier auch als Risiko gesehen, wenn weder die Muttersprache noch Deutsch vollständig gelernt werden.

Ein Problem: Es kann schwieriger sein, die Sprachen klar voneinander abzugrenzen. Das heißt, dass Kinder zum Beispiel die Sprachen mixen und durcheinanderkommen – im schlechtesten Fall, dass sie zwar mehrere Sprachen verwenden, aber keine davon korrekt beherrschen. Die Forschung zeigt allerdings: Das menschliche Gehirn ist problemlos in der Lage, mehrere Sprachen von Geburt an sehr gut zu lernen – allerdings braucht es dafür ausreichend Input. Fehlt dieser in den Familien, können die Nachteile der Mehrsprachigkeit ihre Vorteile überwiegen. 

Generell zeigen Untersuchungen, dass die Mehrsprachigkeit bei Kindern oft zu einer Verzögerung beim Spracherwerb führt. Es kann also länger dauern, bis ein Kind in allen Sprachen auf dem gleichen Niveau sprechen kann. Bei manchen dauert es länger, bis die Grammatik korrekt ist, bei anderen hinkt die Aussprache hinterher. Vor allem bei verschiedenen Schriftsystemen – wächst ein Kind etwa mit Chinesisch und Deutsch oder mit Arabisch und Englisch auf – kann es schwierig sein, die verschiedenen Buchstaben und Symbole richtig zu verwenden. Dies kann frustrierend sein und dazu führen, dass sich das Kind in der Schule oder im Kindergarten benachteiligt fühlt.

Mehrsprachige Erziehung: Auf das „wie“ kommt es an!

Wer sein Kind mehrsprachig erziehen möchte oder vielleicht aufgrund der Lebenssituation gar keine andere Wahl hat, sollte ein paar Hinweise beachten, damit das Kind möglichst gut davon profitiert. 

Besonders wichtig ist eine klare Struktur, die hilft, die Sprachen nicht zu vermischen: etwa, wenn ein Elternteil nur auf Deutsch, der andere Elternteil aber nur auf Französisch mit dem Kind spricht. Oder wenn eine Sprache beispielsweise nur zu Hause gesprochen wird. Konsequenz in der Sprachanwendung ist ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche mehrsprachige Erziehung. Wenn die Eltern sicherstellen, dass das Kind regelmäßig und konsequent in jeder Sprache spricht, die es lernen soll, sinkt das Risiko einer Sprachvermischung.

Wählen die Eltern die Sprachen aus, mit denen ein Kind aufwachsen soll, sollte dies sorgfältig überlegt werden: Sprechen die Eltern die Sprache selbst? Wo kann das Kind sie sonst regelmäßig mit jemandem anwenden, der sie fließend spricht? Welche Vorteile bringt die Sprache für die Zukunft des Kindes?

Natürlich sollten Eltern die Sprachen aktiv fördern und das Kind ermutigen, in allen Sprachen zu sprechen. Sie sollten ihre Kinder aber nicht nötigen, eine bestimmte Sprache zu sprechen. Mehr Verständnis und Freude an den verschiedenen Sprachen entsteht dann, wenn sie auch mit den Kulturen verbunden werden, etwa durch Reisen, Bücher, Filme oder Musik in den jeweiligen Sprachen. Zusätzlich sollte stets die jeweilige Entwicklungsphase des Kindes berücksichtigt werden, um den Lernprozess auch altersgerecht zu gestalten und so die Motivation aufrechtzuerhalten.

Macht mehrsprachige Erziehung also schlauer?

Die Antwort ist ein klares „Jein“. Denn: Viele Studien zeigen, dass Mehrsprachigkeit tatsächlich einen positiven Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten von Kindern hat und über die Sprachkenntnisse hinaus zum Beispiel kognitive Flexibilität und Kreativität fördert. Allerdings gibt es auch potenzielle Nachteile, so eine Verzögerung im Spracherwerb oder Verwirrung durch unterschiedliche Schriftsysteme. Es kommt also darauf an, wie die Mehrsprachigkeit gefördert wird. Eltern brauchen selbst geeignete Kompetenzen, es braucht ausreichend Zeit, Mühe und Konsequenz. 

Gibt es entsprechende Rahmenbedingungen, sollten die Vorteile einer mehrsprachigen Erziehung überwiegen. Zukunftsweisend und für die späteren Lebenserfahrungen und Chancen eines Kindes ist die Mehrsprachigkeit auf jeden Fall.

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