Zuletzt aktualisiert am 17.02.2025
Die Entstehung der Freinet-Pädagogik
Die Freinet-Pädagogik ist ein alternatives Schulkonzept, welches in Frankreich ab 1920 entwickelt wurde. Begründer ist der Reformpädagoge Célestin Freinet, der das Konzept in Zusammenarbeit mit anderen Lehrern entwickelte.
Célestin Freinet wurde 1896 in Gars, in Südfrankreich geboren. Bereits früh stellte er fest, dass konventionelle Schulen mit ihrer Ausrichtung auf reine Wissensvermittlung wenig auf das spätere Leben vorbereiten, sondern lediglich die Erfüllung der Lehrpläne anstreben. Die vorhandene Lernumgebung empfand er als negativen Einfluss auf die Lernfähigkeit.
Auf der Suche nach einer Alternative zu dem herkömmlichen Schulsystem entwickelte er ein reformpädagogisches Konzept, dass das Kind als eigenverantwortlich Lernenden in den Mittelpunkt rückt. In folgenden Jahren gründete sich eine Bewegung, der Freinet angehörte, die unter anderem neue Unterrichtsmaterialien herstellten, um Schüler:innen selbstständiges Lernen zu ermöglichen. 1933 wurde die erste Freinet-Schule, die l'École Moderne, in Vence gegründet. Die Schule existiert noch heute und unterrichtet nach dem Freinet-Konzept.
Die Ziele der Freinet-Pädagogik
Übergeordnetes Ziel der Freinet-Pädagogik ist, dass die Schüler:innen lernen, sich selbständig Wissen anzueignen. Angeregt wird dieses Lernen durch das eigene Neugierverhalten. Das Kind soll den Sinn erkennen, warum es etwas lernt.
Die Schüler:innen sammeln alltagsnahe Erfahrungen und sind in der Lage, ihren Gedanken, Erlebnissen und Gefühlen freien Ausdruck zu verleihen. Die Gemeinschaft steht dabei im Vordergrund. So wird der Grundstein für ein ausgeprägtes Sozialverhalten gelegt. Auch die kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt wird durch Experimente und Exkursionen gefördert.
Die Organisation der Freinet-Klasse
Eine Freinet-Klasse besteht im Durchschnitt aus 15 bis 20 Schüler:innen. Die klassische Rollenverteilung ist aufgehoben. Statt lehrergelenktem Unterricht wählen die Schüler:innen selbstständig ihre Arbeiten. Sie folgen im Rahmen des Unterrichts ihren eigenen Interessen, motiviert durch die natürliche Neugier.
Selbstverwaltung
In den Klassen der Freinet-Schule herrscht Selbstverwaltung. Sie sind durch den Klassenrat organisiert. Dem Klassenrat gehören alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse an, von denen einer zur Vorsitzenden oder zum Vorsitzenden gewählt wird. Die Lehrerin oder der Lehrer ist ebenfalls Mitglied des Klassenrats und hat wie jede:r Schüler:in eine Stimme.
Jede Woche wird demokratisch über Arbeitspläne und Ideen abgestimmt, Ämter innerhalb der Klasse verteilt und die Gestaltung des Klassenraumes festgelegt. So erlernen die Kinder demokratische und soziale Umgangsformen mit ihrer Verantwortung und den Konsequenzen.
Wochenplan
Jede:r Schüler:in erhält im Klassenrat ihren oder seinen individuellen Wochenplan über den zuvor gemeinsam abgestimmt wurde. Die Aufgabe der Lehrer:innen ist es, die Anforderungen des Lehrplans mit den Interessen der Kinder zu koordinieren. Im Wochenplan sind die einzelnen Aufgaben und Vorhaben des Kindes aufgelistet.
Morgenkreis
Jeden Morgen findet in der Klasse ein Morgenkreis statt. Alle Schüler:innen kommen unter der Leitung eines einzelnen zusammen. Der Wochenplan der Schüler:innen wird angesprochen, die Schüler:innen berichten von den für den Tag anstehenden Aufgaben, es werden Vorträge gehalten oder Projekte vorgestellt. Im Morgenkreis werden Tagesaufgaben festgelegt, damit am Ende des Tages eine Bilanz gezogen werden kann.
Lehrmaterialien in der Freinet-Pädagogik
In der Freinet-Schule werden keine ausgewiesenen Schulbücher verwendet. Lehrer:in und Schüler:innen erarbeiten sich über die Jahre eine Dokumentensammlung, die alle Arbeiten der Klasse enthält und von nachfolgenden Klassen genutzt werden kann. Die Schulen verfügen so über einen großen Bestand an selbst angelegten Lehrmaterialien. Außerdem gibt es eine Bücherei und eine sogenannte Arbeitsmittelkartei mit Anleitungen zu einzelnen Geräten, Maschinen und Bereichen.
Die Gestaltung des Klassenraumes
Das Klassenzimmer ist nicht frontal ausgerichtet, sondern setzt eine offene Raumgestaltung um, die Einzel- oder Gruppenarbeit ermöglicht. Es werden verschiedene Lernbereiche geboten, die Schüler:innen können in Werkstätten oder speziellen Ecken bestimmten Aktivitäten nachgehen:
- Druckerei-Bereich
- Bibliothek
- Experimentierecke
- Atelier/ Kreativbereich
- Klassendienste-Bereich
Auch Außenanlagen werden im Freinet-Konzept mit einbezogen. Meist haben die Freinet-Schulen kleine Bereiche mit Gartenanlagen und Tieraufzucht.

Der Unterricht in der Freinet-Schule
Der Lehrplan an der Freinet-Schule
Der Lehrplan in einer Freinet-Schule ist flexibel und orientiert sich stark an den Interessen und Bedürfnissen der Kinder. Es gibt keine starren Vorgaben, sondern das Lernen in herkömmlichen Schulfächern erfolgt durch Projekte, Experimente und praktische Tätigkeiten. Zu Beginn der Woche wird gemeinsam der Wochenplan jeder/jedes Schüler:in abgestimmt. Dieser umfasst sowohl Pflichtaufgaben, als auch Freiaufgaben. Diese können allein oder in der Gruppe stattfinden. Auch das Auffüllen von Lücken in weniger guten Bereichen ist Teil des Plans. Im gemeinsamen Unterricht werden die Arbeiten der Schüler:innen besprochen, korrigiert und ausgewertet. Es werden Fragen und Antworten, sowie Zeit für Diskussionen eingeplant.
Die Rolle der Lehrer:innen
Die Aufgabe der Lehrer:innen ist es, die Schüler:innen im Bezug auf ihre Interessen und Fähigkeiten zu fördern und den Lehrplan mit diesen Interessen zusammenzubringen. Sie entscheiden, inwieweit sie in das Geschehen eingreifen. Dabei ist ein gewisses Maß an Kontrolle und Koordination erforderlich, grundsätzlich agieren die Lehrer:innen an der Freinet-Schule eher als Helfer und Unterstützer.
Die Benotung an der Freinet-Schule
Auch bei der Bewertung von Leistung werden in der Freinet-Schule andere Ansätze gewählt als an einer herkömmlichen Schule. Die Leistung wird durch prozessorientierte und individuelle Rückmeldungen erfasst.
Wichtig ist, dass die Schüler:innen an der Beurteilung beteiligt werden. Sie reflektieren regelmäßig ihre eigenen Fortschritte und lernen sich selbst einzuschätzen. Die Lehrkraft gibt den Schüler:innen individuelle Rückmeldungen, sowohl mündlich als auch schriftlich, die Lernfortschritte werden gemeinsam besprochen.
Für eine einheitliche Dokumentation werden sogenannte Portfolios geführt, in denen Texte, Projekte, Experimente und andere Arbeiten gesammelt werden, sie zeigen nicht nur das Endergebnis, sondern auch den Lernprozess.
Ziel der Bewertung ist es, die Lernfreude bei den Kindern und Jugendlichen aufrecht zu erhalten und ihre Reflexionsfähigkeit zu stärken.
Die Freinet-Schule

Die meisten Freinet-Schulen sind Grundschulen, aber auch in der Sekundarstufe einiger Regelschulen wird das Konzept eingesetzt. Dies sind meist keine reinen Freinet-Schulen, sondern einzelne Klassen, die das Konzept Freinets realisieren.
Die meisten Freinet-Schulen befinden sich im romanischen Sprachraum, aber auch in Osteuropa, Lateinamerika oder Japan gibt es vereinzelt Schulen, die nach dem Freinet-Konzept arbeiten. Auch in Deutschland gibt es einige Schulen, die, zumindest teilweise, das Freinet-Konzept umsetzen. Aufgrund der vielen Schulen, in die nur teilweise das Konzept integriert wurde, lässt sich die genaue Zahl allerdings nur schwer schätzen.
Die Freinet-Schulen finanzieren sich teilweise durch öffentliche Gelder. Bei einigen privaten Schulen wird ein Schulgeld erhoben, welches sich nach dem Einkommen der Eltern richtet. Auch eine Nachmittagsbetreuung ist in vielen Schulen möglich und muss von den Eltern zusätzlich finanziert werden.
Elternarbeit
Generell wird eine aktive Mitarbeit der Eltern am Schulleben gern gesehen. Im Elternplenum können sie Erfahrungen sammeln und Ideen austauschen. Ebenso werden sie in die Entwicklung von AGs einbezogen und können diese auch selbst umsetzen und leiten.
Mehrmals im Jahr kommen die Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern zusammen, um Ansichten und Meinungen auszutauschen. Auf dieser Basis wird das Schulkonzept stetig weiterentwickelt und angepasst.