Große Mehrheit findet:
Jugendliche sollten mehr als eine Fremdsprache lernen
Weniger als die Hälfte der Schüler*innen in Deutschland lernen eine zweite Fremdsprache. Einer repräsentativen Forsa-Meinungsumfrage im Auftrag des Studienkreises zufolge ist das zu wenig. Eine große Mehrheit der befragten 1.022 Erwachsenen plädiert dafür, dass alle Jugendlichen mindestens zwei Fremdsprachen lernen – allerdings nicht unbedingt die Sprachen, die in den Schulen am häufigsten angeboten werden.
Je jünger, desto häufiger zweisprachig
Während die Generation 60+ Fremdsprachen mehrheitlich nur auf Reisen verwendet, nutzen Erwachsene unter 40 Jahren Fremdsprachenkenntnisse in vielen Lebensbereichen. 83 Prozent in dieser Altersklasse konsumieren Filme oder andere Medien in einer Fremdsprache, 68 Prozent setzten die Kenntnisse in Ausbildung oder Beruf ein. Auch Schüler*innen in Deutschland beherrschen zunehmend gut insbesondere Englisch, wie der aktuelle Bildungstrend des Instituts für Qualitätssicherung im Bildungswesen (IQB) belegt. Damit entwickeln sich die Englischleistungen gegen den Trend. In Deutsch etwa gehen die Leistungen eher zurück, unter anderem infolge der Corona-Pandemie. Ein Grund für die guten Englischkenntnisse: Viele Jugendliche sehen in ihrer Freizeit Filme oder Serien auf Englisch und nutzen die Sprache in sozialen Netzwerken.
Gute Kenntnisse in anderen Sprachen als Englisch sind selten
In ihren Englischkenntnissen unterscheiden sich Jüngere und Ältere also erheblich. Anders sieht es bei weiteren Fremdsprachen aus, wie die Forsa-Umfrage zeigt. Zwölf Prozent der Erwachsenen ab 60 Jahren haben nach eigener Aussage gute oder sehr gute Französischkenntnisse – ebenso wie 17 Prozent der Erwachsenen unter 40 Jahren. Bei Spanisch und Russisch ist der Unterschied zwischen Älteren und Jüngeren noch geringer. Der Anteil der Personen, die in den häufigen Herkunftssprachen Türkisch und Arabisch gute Kenntnisse besitzen, liegt in allen Generationen im einstelligen Bereich.
Mehrheit plädiert für zweite Fremdsprache für alle
Auch wenn nur eine Minderheit der Befragten selbst gute Kenntnisse in einer anderen Fremdsprache als Englisch besitzt – 83 Prozent von ihnen finden es wichtig, dass Kinder und Jugendliche außer Englisch noch eine andere Sprache in der Schule lernen. Mit diesem Wunsch liegen die Befragten ganz auf EU-Linie: Nach deren Wünschen sollen alle jungen EU-Bürger*innen über ihre Muttersprache hinaus mindestens Grundkenntnisse in zwei weiteren EU-Sprachen erwerben. Bei der Umsetzung hinkt Deutschland stark hinterher – in 20 der 27 EU-Staaten lernen anteilig mehr Jugendliche in der Schule mindestens zwei Sprachen. In Deutschland hingegen sind zwei Fremdsprachen nur für Schüler*innen verpflichtend, die das Abitur anstreben. Insbesondere in der beruflichen Bildung lernen nur wenige Jugendliche in Deutschland eine zweite Fremdsprache.
Chinesisch als zweite Fremdsprache beliebter als Latein
Bei der Auswahl der zweiten Fremdsprache klaffen Wunsch und Wirklichkeit in Deutschland auseinander. An den meisten Gymnasien stehen vor allem Französisch und Latein sowie zunehmend auch Spanisch zur Wahl. Ginge es nach dem Willen der Befragten, würden Schulen noch weitere Sprachen anbieten, auch wenn Spanisch (71 Prozent) und Französisch (67 Prozent) die Liste der in der Forsa-Umfrage als „wichtig“ bewerteten Sprachen anführen. An dritter Stelle rangiert Chinesisch mit 34 Prozent. Latein wird zwar in Deutschland nahezu flächendeckend angeboten – wichtig finden das allerdings nur 27 Prozent der Befragten. Jeweils 17 Prozent wünschen sich Angebote für Russisch und Arabisch, während zwölf Prozent Türkisch wichtig finden. Nur drei Prozent sprechen sich dafür aus, dass Schulen Altgriechisch anbieten.
In der Praxis ist es für viele Schulen schwierig, mehr Sprachkurse einzurichten. Lehrkräfte sind für viele selten angebotene Sprachen nur schwer zu finden. Nur wenige Universitäten bieten überhaupt passende Lehramts-Studiengänge an, auch die Auswahl an Unterrichtsmaterial ist viel geringer als für die verbreiteteren Sprachen. Trotz dieser Einschränkungen hätte es Vorteile, wenn Jugendliche aus mehr Sprachen wählen könnten. „Eine breitere Auswahl könnte unter Umständen mehr Schülerinnen und Schüler motivieren, eine zweite Fremdsprache zu lernen“, erklärt Max Kade, Pädagogischer Leiter des Studienkreises. „Die Fremdsprachenangebote an den Schulen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum geändert, obwohl sich durch Globalisierung und Digitalisierung neue kulturelle und wirtschaftliche Zentren bilden.“
Warum es sich lohnt, mehr als eine Fremdsprache zu lernen
Vorgeschrieben ist eine zweite Fremdsprache nur für Schüler*innen, die das Abitur anstreben. Aber auch viele Schüler*innen an beruflichen Schulen oder mit dem Ziel „Mittlerer Schulabschluss“ können als Wahlfach eine zweite Fremdsprache belegen. Selbst wenn es mit dem geringeren Stundenumfang nicht immer gelingt, die zusätzliche Sprache fließend zu lernen – auch solide Grundkenntnisse sind wertvoll. Zum einen lassen sie sich im Urlaub einsetzen und erweitern den Kreis der potenziellen Gesprächspartner*innen. Vor allem aber erlauben sie einen Einblick in andere Kulturen und bauen Berührungsängste ab. Genau deshalb möchte die Europäische Union auch die Mehrsprachigkeit fördern.
„Sprache ist eng mit der eigenen Kultur und Identität verknüpft. Mehrsprachigen Menschen fällt es häufig leichter, die sprachliche und kulturelle Vielfalt Europas zu schätzen, indem sie einen kommunikativen Austausch über Landesgrenzen hinweg eintreten“, sagt Max Kade. „Gerade in einer Zeit, in der zum einen kulturelle Konformität immer stärker wird, zum anderen aber wieder Abschottungsideen Gehör finden, ist es wichtig, dass junge Menschen eigene Erfahrungen im Austausch mit Gleichaltrigen anderer Länder sammeln und sich als Teil einer globalen Gemeinschaft erleben.“
So klappt das Sprachenlernen
Eine Sprache zu lernen, hat nicht nur mit Grammatikregeln und Vokabeln zu tun – sondern auch mit Übung. Wer schnell Fortschritte machen möchte, sollte sich daher Gelegenheiten suchen, um eine Sprache bei Aktivitäten zu benutzen, die wirklich die eigenen Interessen treffen. Ob Filme und Serien in der Fremdsprache, gleichaltrige Tandem-Partner*innen oder Computerspiele und Let’s-play-Videos, mit wenig Aufwand lassen sich auch in Deutschland viele Angebote in anderen Sprachen finden. Ebenfalls hilfreich: Virtual-Reality-Angebote in einer anderen Sprache. Seit diesem Jahr bietet deshalb der Studienkreis VR-Englischkurse an, in denen Jugendliche gemeinsam in einer virtuellen Realität ihre Sprachkenntnisse anwenden, zum Beispiel beim Einkauf auf einem englischsprachigen Markt. Das macht nicht nur Spaß und fördert die Sprachkenntnisse, sondern baut auch Hemmungen ab, Englisch im richtigen Leben anzuwenden.